Sonntag, 1. Juni 2014

Fahrt nach Sortavala

Heutiges Ziel ist Sortavala, am Nordufer des Ladoga-Sees gelegen. Unsere Navi-App möchte uns bevorzugt am Ostufer des Sees entlang leiten d.h. 7h20 für rund 500 km. Alternativ wollen wir aber 300 km im Westen am See entlang fahren, wobei für diese Strecke 6h22 vorgeschlagen werden. Also rund eine Stunde weniger Fahrzeit. In unserem Autoatlas sind die Straßen auf der westlichen Seeseite auch schon deutlich kleiner, aber immerhin sind welche eingezeichnet. Bei der Routenplanung über Yandex (das russische Google) wird ebenfalls direkt der Weg im Osten vorgeschlagen. Also auf geht’s!

 

Zusammenfassung der Straßenlage:

Es fängt an mit einem Gewusel durch das Einbahnstraßensystem von Sankt Petersburg. Als wir gerade auf einer großen Ausfallstraße sind, denken wir, jetzt haben wir es geschafft. Pustekuchen. Heute ist Deti-Tag (Kindertag), wie wir natürlich erst später erfahren, und somit geht heute anscheinend die große Busreise für alle Kinder los. Am Straßenrand parken in erster oder zweiter Spur Reisebusse, überall davor, daneben, dahinter sind Eltern mit ihren Kindern. Dazu kommen dann noch die mit Warnblinkanlage parkenden Fahrzeuge, die dann in dritter oder vierter Spur. Ganz so flüssig ist es also nicht.

 

Danach haben wir erst mal eine super doppelspurige Landstraße, quasi eine Autobahn. Es regnet und die zahlreichen Deti-Busse werden per Polizeikolonne eskortiert. Bis Priosersk ist es gut ausgebaut, irgendwann einspurig, und dann irgendwann russisch holprig. Lässt sich aber gut fahren. Hinter Priosersk haben wir dann prompt nur noch eine geschotterte Piste. Immerhin ist es trocken und wir sehen noch nicht so schlammig aus, wie die zahlreichen Geländewagen die uns überholen. Anscheinend geht hier gerade die Ralley „Ladoga Trophy“ entlang. Bestimmt die Hälfte der Wagen hat große Aufkleber davon auf der Fahrzeugseite kleben. Wir holpern mal eine Rund voran. Immerhin sind wir fast bei dem gleichen Durchschnittstempo wie zwischen Münster und Travemünde ein paar Tage zuvor.

 

Landschaftlich ist es wieder mal wirklich schön, grüne Wiesen, viel Wald und hügelig ist es hier. Und so schlängelt sich unsere Piste schön bergauf und bergab. Richtig schnell fahren sollte man deshalb eh nicht.

 Einige Zeit später sehen wir am Horizont Schilder, die Landesgrenze der Republik Karelien. Und kaum durchfahren wir diese haben wir auch schon blitzeblanken Asphalt unter den Puschen. Beeindruckend! In dem Moment fällt uns allerdings ein, dass es auf der Strecke nach Petrosavodsk vor vier Jahren genauso war. Wir freuen uns und gleiten quasi berührungslos über die Straße. Welch ein angenehmes Gefühl! Das hält dann so rund 10 km, schon müssen wir schön rechts abbiegen und sind wieder auf Schotter unterwegs. Na gut, ganz so lang wie in der Mongolei wird es ja hier nicht dauern. Und tut es auch nicht. Irgendwann wird in einem der Haufendörfer aus Schotter wieder holpriger Asphalt und wir kommen wohlbehalten in Sortavala an. Letztendlich waren es 280 km, für die wir rund 5 Stunden gebraucht haben. Gut, dass wir nicht andersherum gefahren sind!

 

Hier unsere Straßeneindrücke des heutigen Tages:

Sortavala hat laut Lonely Planet Russia (Ausgabe 2009) rund 21.000 Einwohner, ist also kein wirklich großer Ort und somit gehen wir mal davon aus, dass wir den Fähranleger ohne Schwierigkeiten finden. Vorher wollen wir aber erst einmal tanken. Dringend ist es noch nicht, aber sicher ist sicher. Auf der Strecke hierhin haben wir genau eine geöffnete Tankstelle gesehen und mehrere verlassene bzw. eher schon verfallene. An der ersten Tankstelle sind alle Zapfsäulen besetzt, hier gibt es gerade keinen Diesel und anscheinend warten alle darauf. Nebenbei bemerkt gab es unterwegs beim Einkauf in einem der kleinen Dörfer weder Alkohol noch Zigaretten, was alle potentiellen Kunden verschreckt hat. Wir haben dann mal Bananen, Äpfel und saure Gurken gekauft. An frischem Obst und Gemüse mangelte es definitiv nicht in dem Geschäft. An der zweiten Tankstelle gibt es wohl Diesel, der Liter natürlich 2 Rubel teurer als zuvor. Dafür nehmen die aber gerade keine Karten zum Bezahlen, das Terminal funktioniert gerade nicht. Die dritte Tankstelle am anderen Ende der Stadt sieht nicht wirklich vertrauenserweckend aus und somit beschließen wir einfach nicht zu tanken.

 

Der Fähranleger von Sortaval ist schnell gefunden oder eher gesehen. Denn eine Zufahrtsstraße dorthin wird gerade neu asphaltiert, die nächste ist eine Einbahnstraße in die falsche Richtung und in der dritten ist heute gerade Markt. Ach ja, es soll uns ja auch nicht so einfach gemacht werden.

 

Aber es gibt natürlich noch eine Straße Richtung Hafen, ein wenig Zickzack, aber die Straße nehmen wir dann mal.

 

Am Fähranleger angekommen stellen wir Indy ab und gucken uns ein wenig um. Ein Souvenirshop und ein Imbiss haben geöffnet, an der Mole dümpelt ein Meteor. So heißen hier die lokalen Tragflügelboote. Ein gutes Zeichen für meinen morgigen Ausflug. Vorab hatte ich schon ausgiebigen Emailkontakt mit Irina, die mir ja auch geschrieben hatte dass ein Boot fahren wird und sie mir einen Platz reserviert hat. Dummerweise habe ich mich in den letzten Tagen nicht mehr zurückgemeldet, so dass ich nicht weiß, ob es morgen nun um 9:00 oder um 11:00 losgeht. Beide Abfahrtszeiten sind möglich.

 

Aber bevor ich mir darüber Gedanken mache, brauchen wir erst einmal einen Übernachtungsplatz. Hier direkt am Fähranleger ist ein großer Wendehammer, der voller Busse und PKWs steht. Nicht wirklich ideal. Die Dame am Souvernirstand meint, wir sollen ein wenig abseits uns an den Rand stellen. Na ja, auch nicht so schön. Also laufe ich ein wenig zu Fuss die Straßen entlang (die nahegelegene Touristeninformation hat übrigens geschlossen) und entdecke dann einen bezahlten Parkplatz, dessen freundlicher Parkplatzwächter überhaupt kein Stress hat uns hier übernachten zu lassen. Ich verstehe zwar nicht, ob wir nun vor oder hinter den „Katern“ (Motorboote) einparken sollen, aber uns gefällt dahinter besser. Und so stehen wir hier, zwischen Katern und Bussen und einigen PKWs. Gar nicht übel.

 

Als Nächstes möchte ich nun doch herausfinden, wann denn morgen wohl das Boot fährt. Zunächst frage ich einen der „Seemänner“ an der Mole, der mir freundlich versucht zu erklären, dass erst später am Abend festgelegt wird, wann und ob überhaupt ein Meteor fährt. Hmm ... das war nicht das, was ich mir als Antwort erhofft hatte. Dann versuche ich mein Glück am Souvenirstand. Die nette Dame hinter der Theke ist sehr hilfsbereit und ruft direkt beim Kapitän an und erfährt so, dass der Meteor um 9:00 abfährt. Hervorragend! Ich freu mich!!

 

Danach schlendern wir eine Runde durch den Ort und erfahren dabei, dass heute "Deti-Tag" ist, also Kinder-Tag. Das an diversen Supermärkten angeschlagene Alkoholverkaufsverbot gilt somit auch nur heute von 8 – 9h und von 13 – 23h. Also nur heute und nicht wie zunächst gedacht, dass dies ab dem 1. Juni bis auf Weiteres gültig ist.

 

Sortavala ist jetzt nicht so die hübscheste Stadt, aber dafür wie die meisten russischen Orte schön grün. An jeder Ecke gibt es einen Park, so dass es gerade mit Hund wirklich angenehm ist. Vanja hat übrigens auch keinen Stress mit den Straßenhunden. Die bellen sie zwar an, aber verziehen sich bisher auch recht fix wieder. Sehr zum Bedauern von Vanja, die ja gerne mal mit einem anderen Hund wieder spielen würde.

 

Während ich heute Abend versuche mich an die „Bedienung“ meines neuen Homepageanbieters zu gewöhnen, geht Jens noch mal los und guckt, ob es nicht doch ein Restaurant oder eine Imbissbude für unser Abendessen gibt. Und es gibt sie doch. Wir sind nur vorhin irgendwie falsch gelaufen und so gibt es eine leckere Pizza, mit ganz dünnem Teig, wie ich sie am liebsten habe.

 

Schöne gute Nacht aus Sortavala!

Jujuv

 

PS: Irina hat mir heute Abend noch geschrieben, dass das Boot um 9:00 losfährt und sie mich am Fähranleger auf Valaam erwartet. Ich bin gespannt!

 


Seenvergleich Ladogasee - Baikalsee - Aasee

 Für diejenigen, die sich nicht so ganz mit den Seen in Russland auskennen, hier mal ein kleiner Größenvergleich. Unser Münsteraner Aasee ist im Vergleich nicht so wirklich der Größte ...

Quelle: Wikipedia, abgerufen am 2.06.2014

Meteore beim Sonnenuntergang


Montag, 2. Juni 2014

Klosterinsel Valaam

Heute heißt es für mich früh aufstehen, wobei früh natürlich relativ ist. Aber irgendwie habe ich ja eh ein höheres Schlafbedürfnis als andere und zusätzlich die zweistündige Zeitverschiebung nach wie vor nicht realisiert. Dass es bis weit nach Mitternacht hell ist, macht die ganze Sache nicht einfacher. Also lieber mal den Wecker stellen, der mich dann auch tatsächlich aus den tiefsten Träumen weckt. So richtig leise bin ich wohl nicht und so schnappe ich mir schnell Vanja und drehe eine Morgenrunde mit ihr. Danach lasse ich lieber beide im Womo weiter schlafen und gehe einmal die Straße runter zum Fähranleger.

 

Dort liegen zwei Meteore (seitdem wir im Urlaub sind, habe ich Wortfindungsstörungen bei der Pluralbildung, aber das nur nebenbei). Ich frage direkt einen, der nach Kapitän o. ä. aussehenden Männern, ob ich mitfahren kann. Üblicherweise bekommt man von seinem Reiseveranstalter einen Voucher für die Überfahrt, der dann beim Betreten der Fähre abgegeben wird. Leider haben wir keinen Drucker an Bord und somit konnte ich mir auch keinen Voucher ausdrucken. Geht aber natürlich trotzdem, nachdem ich verspreche dass ich Irina dann auf Valaam direkt bezahle.

 

Die Sonne scheint und die Fähre füllt sich so langsam. Ein finnischer Reisebus lädt seine Touristengruppe ab, ansonsten sind es eher kleine Grüppchen die sich auf den Weg zur Insel machen. Dennoch gibt es genügend freie Plätze. Grob überschlagen passen wohl so 120 bis 150 Personen auf mein Boot. Der vordere Sitzbereich des Bootes, wo ich eigentlich gerne sitzen wollte, ist komplett gesperrt. Schade, aber dann nehme ich einfach einen Sitzplatz im mittleren Bereich am Fenster und schiebe erst mal die Gardinen weg. Ich möchte ja rausgucken können. Kurz drauf geht es dann auch schon los.

 

Irritierenderweise fährt der Meteor rückwärts vom Anlegesteg los, dreht dann aber glücklicherweise in der Mitte des Wassers und auf geht’s. Erst einmal in gemütlichem Tempo denn links und rechts ist das Ufer recht nahe. Zwischendurch sieht man immer wieder Häuser und Stege auf’s Wasser, an denen kleine Bötchen dümpeln. Als wir das Ufer hinter uns lassen wird ordentlich Gas gegeben und schon fliegt mein Meteor quasi über das Wasser. Leider verschlechtert sich das Wetter und wir fahren unter eine dicke Wolkendecke. In gerade mal 50 Minuten sind die über 40 Kilometer zwischen Sortawala und Valaam geschafft. Die Einfahrt in das Archipel, welches aus rund 50 Inseln besteht, ist hier deutlich kürzer als in Sortawala. So habe ich den Eindruck, dass der Kapitän einfach nur den Rückwärtsgang einlegt um das Boot abzubremsen. Auf der ersten Insel steht linker Hand direkt eine kleine Kapelle, die leider nicht in der Sonne glitzert. Es sieht trotzdem nett aus. Und dann sind auch schon die hellblauen Kuppeln des Klosters zu sehen. Interessanterweise leuchten diese, trotz der Wolken.

 

Am Anlegesteg angekommen, erkenne ich natürlich sofort Irina. Nicht zu übersehen an dem orangefarbenen Schild mit ihrem Namen. Das hat also auch schon mal geklappt. Als nächstes kommt dann die russische Großfamilie, bei denen ich mich auf meiner Tour anschließe. Außerdem wird uns unsere Touristenführerin Tatjana vorgestellt. Aus irgendeinem Grund fährt unser Boot heute nicht um 15 Uhr sondern erst um 17 Uhr zurück, was mir Irina lieber gleich mehrfach erklärt und sicherheitshalber auch aufschreibt. Sicher ist sicher. Wir haben am Ende der geführten Tour also zwei Stunden freie Zeit, die wir mit dem Erkunden der weiteren Insel verbringen können.

 

Dann geht es auch schon los und so folge ich den nächsten fünf Stunden meiner Gruppe, verstehe nicht wirklich viel, aber gucken lässt sich ja auch so. Angefangen haben wir im Klostergarten, einem von dreien (oder so) und hier wachsen hauptsächlich Kirschen und Äpfel. In einem anderen, auf einer Nachbarinsel, wachsen sogar Weintrauben dank des Mikroklimas hier auf den Inseln. Das Mikroklima ist übrigens auch dafür verantwortlich, dass es heute hier sehr frisch ist. Gestern war es wohl noch sehr heiß. Ich bin froh dass ich meine Jacke dabei habe und nicht wie andere im T-Shirt unterwegs bin. Ein Pulli wäre allerdings auch nicht schlecht gewesen. Aber dank Tatjana sind wir ja gut unterwegs und somit bleibt gar nicht viel Zeit, damit einem frisch wird.

Als nächstes geht es dann an diversen kleineren Kapellen vorbei zum Kloster. Dort dürfen wir zunächst in einer Seitenkapelle einem Männerchor zu hören, bevor wir dann ins Kloster gehen. Wir Frauen haben heute allesamt Jeans an. Und so gibt es am Eingang für uns Wickelröcke, wobei wir uns alle für Rosa entscheiden. Passenderweise habe ich auch ein rosafarbenes Kopftuch dabei. Wir sehen lustig zusammen aus. Im Inneren des Klosters verstehe ich nun leider quasi gar nichts mehr, denn wir gucken uns eine Ikone nach der anderen an und dafür reichen meine Sprachkenntnisse eindeutig nicht mehr aus. Den vier Kindern geht es anscheinend aber nicht wirklich anders und somit sind die schön unterwegs und halten ihre Eltern auf Trab. Immerhin die beiden Großeltern lauschen noch unserer Reiseführerin. Die Kirche besteht aus einer Sommer- und einer Winterkirche, was in Russland nicht unüblich ist. Die Winterkirche ist meist deutlich kleiner und wird beheizt. Die Sommerkirche natürlich nicht. Entweder sind beide nebeneinander oder aber wie hier übereinander angeordnet. Zunächst besuchen wir somit die recht angenehm warme Winterkirche. Hier hängt übrigens eine kleine Ikone, welche 2005 mit im Weltall war und zigmal um die Erde geflogen ist. Der Kosmonaut wollte wohl ohne eine Ikone nicht fliegen (so oder so ähnlich). Kaum ist diese Geschichte erzählt, stehen alle Männer, der kleine Junge und ich rund um die Ikone. Schon witzig, dass diese „gruppendynamischen“ Prozesse hier genauso ablaufen wie bei uns.

 

Danach geht es dann hoch in die Sommerkirche, welche von innen sehr schön mit Wandbildern bemalt ist. Lediglich sehr frisch ist es hier und ich bin meiner Begleitfamilie sehr dankbar, dass wir in diesem Teil nicht allzu lange verweilen.

 

Weiter geht es dann über das Klostergeländer (dort sehe ich den Elektro Miev) und auf die Nachbarinsel mit der kleinen Insel, welche ich schon bei der Einfahrt gesehen habe. Auch sehr schön. Hier gab es übrigens blaue Tücher mit Sternchenmuster für die Frauen.

Nach rund fünf Stunden ist unsere Tour dann beendet. Wir sind alle erschöpft und passenderweise fängt es an zu Regnen. Wir flüchten uns also erst mal in das Café am Fähranleger und machen Pause.

  

Nachdem der Regen aufgehört hat, ist immer noch genug Zeit bis mein Meteor zurück-fährt und so laufe ich einmal am Ufer entlang auf die andere Seite des Hafenbeckens. Dort wird gerade eine neue kleine Kapelle gebaut. Die dortigen Bauarbeiter scheinen ein wenig verblüfft zu sein, dass sich jemand eine Baustelle angucken möchte, aber ich finde es spannend anzugucken. Hinter der Kapelle befindet sich am Ufer ein Steg auf das Hafenbecken, von dem man eine schöne Aussicht über das gegenüberliegende Kloster hat. Schade, dass das Wetter nicht besser ist sonst ließe es sich hier auf dem Steg wirklich gemütlich sitzen.

 

Und so verlasse ich diese Insel und bin mir sicher irgendwann wieder hierhin zu kommen. Ich habe ja nur einen kleinen Teil mir anschauen können. Dann auch gerne bei Sonnenschein.

 

Danke Irina für die tolle Tour und Deine Geduld mit meinen russischen Sprachkenntnissen! 

 

Fotos Kloster Walaam

Zurück fliegt das Boot wieder über das Wasser. In Sortavala erwarten mich Jens und Vanja schon am Anlegesteg und wir lassen den Abend mit einer Runde Schaschlik in dem Biergarten am Anleger ausklingen.


Euch einen wunderschönen Abend aus Sortavala,

Jujuv

 

PS: Auf dem Festland ist es übrigens tatsächlich deutlich wärmer! 


Dienstag, 3. Juni 2014

Fahrt nach Petrosavodsk

Heute Morgen verlassen wir unseren kleinen Parkplatz mit den Bussen, Booten und sonstigem was so um uns herum übernachtet hat und machen uns auf den Weg nach Petrosavodsk am Onegasee. In dem See liegt die Museumsinsel Kizhi, welche zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Kizhi gehört zu einer der Sehenswürdigkeiten der Republik Karelien. In dem dortigen Freilichtmuseum sind zahlreiche restaurierte Holzhäuser und Holzkirchen zu besichtigen, welche entweder von der Insel selbst oder aber aus den umliegenden Dörfern stammen. Das Besondere an den Gebäuden ist, dass diese ohne einen einzigen Nagel (außer solche aus Holz) errichtet wurde. Die eindrucksvollste und größte Kirche, die Christi-Verklärungs-Kirche, hat insgesamt 22 Holzkuppeln und die möchte ich mir auf jeden Fall angucken. 

 

Bei unserer ersten Reise nach Russland in 2010 waren wir schon einmal in Petrosavodsk. Die Stadt hat uns gut gefallen, eine schöne Uferpromenade mit einigen Biergärten. Nur leider war die Touristensaison noch nicht angebrochen und somit fuhr weder am nächsten noch an den darauffolgenden Tagen ein Boot nach Kizhi. Dieses Jahr sind wir ja erst im Juni anstatt im Mai unterwegs, so dass die Tragflächenboote nun täglich fahren (sollten).

 

Von Sortawala aus schlängelt sich die Straße wieder durch die hügelige Gegend, viel Wald, viele Flüsse und viele Seen. Sehr hübsch anzusehen. Das könnte auch irgendwo in Süddeutschland liegen (also alles was südlicher als Münster liegt und hügelig ist). Irgendwann geht es dann aber immer noch schnurgerade aus. Die Landstraße ist frisch asphaltiert und somit hervorragend. Es fehlen die Fahrbahnmarkierungen, aber das macht uns ja nichts. Apropos nichts, hier ist auch außer Wald und Feld irgendwie so gar nichts. Noch nicht einmal Orte liegen an der Straße, Tankstellen übrigens auch nicht. Es wirkt fast so, als ob die Straße gerade erst frisch angelegt wurde. Wir freuen uns, denn so schaffen wir die 280 km bis Petrosavodsk in vorher nicht für möglich gehaltenen vier Stunden. Das ist ein höherer Geschwindigkeitsdurchschnitt als zwischen Münster und Travemünde vor einem Feiertag.

 

Petrosavodsk, übrigens die Hauptstadt Kareliens, ist im Vergleich zu Sortawala nun eine Großstadt. Der Name der stammt aus Anfang des 18. Jahrhunderts als hier ein Eisen und Kanonenwrk erbaut wurde (petrosawod = „Peter-Werk“) und industriell scheint diese immer noch geprägt zu sein. Insgesamt leben hier über 260.000 Einwohner und das macht sich sofort auf der Straße bemerkbar. Die mehrspurige (2 bis x Spuren) Haupteinfallstraße ist gut gefüllt. Ganz schön ungewohnt nach mehrstündigem Nichts auf der Straße. Und so wuseln wir uns wieder einmal quer durch die Stadt.

 

Unser Ziel ist die Uferpromenade mit dem kleinen Hafen, in dem die Fähre nach Kizhi ablegt. Schwierig zu finden ist das auch nicht, einfach immer geradeaus bis zum Seeufer fahren und dann rechts halten. Dort angekommen parken wir Indy am Seitenstreifen und ich gehe als Erstes zum Ticketschalter um nachzufragen, ob es denn morgen ein Boot gibt. Ganz so schnell wie erhofft, werde ich meine Frage leider nicht los. Hier ist gerade Schichtwechsel und die junge Frau hinter der Glasscheibe zählt in Ruhe ihre Tageseinnahmen. So ein Ausflug auf die Insel ist teuer, die Fahrt kostet 2500 Rubel also umgerechnet 52 Euro. Da kommt schon so einiges zum Zählen zusammen. Und so starre ich mit diversen Umstehenden, die vermutlich ein ähnliches Anliegen wie ich habe, erst einmal Löcher in die Decke. Ja, geduldig muss man hier in Russland manchmal sein. Zwischenzeitlich kommen dann auch die beiden Damen für die nachfolgende Schicht, die sich erst einmal in Ruhe einrichten. Einer meiner Mitwartenden wedelt die ganze Zeit schon ungeduldig mit seiner Kreditkarte durch die Gegend, wird aber freundlich darauf hingewiesen dass es noch ein Moment dauert. Für mich ist der Andrang hier aber ein positives Zeichen. Scheinbar fahren ja Bötchen, sonst würden hier ja nicht noch andere am Ticketschalter warten. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die vermutlich nicht länger als eine Viertelstunde war, bekomme ich dann die erlösende Nachricht, dass natürlich morgen ein Schiff fährt und zwar um 11:30. Früher wäre mir lieber gewesen, da ich ja dann erst um 18:00 wieder zurück bin und Jens und Vanja bis dahin mal wieder auf mich warten dürfen. Also sichere ich mir schon mal ein Ticket, wer weiß was sonst über Nacht so noch passiert und frage danach den auf dem Vorplatz herumlaufenden Polizisten, ob wir denn einfach so am Straßenrand übernachten dürfen. Klar, warum denn nicht, ist die Antwort.

 

Da wir ja unerwartet früh hier angekommen sind, gehen wir erst einmal eine Runde spazieren. Die Uferpromenade ist sehr schön angelegt (übrigens mit free WIFI). In regelmäßigen Abständen stehen Skulpturen, die aus den verschiedenen Partnerstädten stammen. Deutsche Partnerstadt ist übrigens Tübingen. Danach gehen wir eine der Straßen hoch in die Stadt, viele Geschäfte säumen die Straßen und es ist gut was los. In einer kleinen Buchhandlung im Keller eines Hauses kaufe ich mir noch einen Faltplan von der Insel, damit ich morgen auch weiß, was ich mir so angucke. Und so schlendern wir noch eine Runde weiter durch die Straße. Uns gefällt auf jeden Fall die Stadt. 

 

Eindrücke von Petrozavodsk

Zurück an Indy wollen wir unser Abendessen kochen, Pelmeni soll es geben. Eine kleine Hürde gibt es dabei allerdings. Irgendwie hatten wir in den letzten Tagen festgestellt, dass unsere Bordbatterie irgendwie nicht so richtig geladen wird. Per Solarzellen oder externem Stromanschluss klappt es, aber halt nicht durch das Fahren an sich. Und das ist üblicherweise die einfachste Art die Bordbatterie wieder zu laden. Auf unsere Baikaltour haben wir ja so einige Wochen lang unsere Batterie immer wieder schön aufgefüllt. Aber jetzt ist sie irgendwie zickig. Und wie es dann so ist, während das Wasser für die Pelmeni zwar schon warm aber noch nicht so richtig heiß ist, geht der Herd aus und unsere Steuergerät namens Vicon meint, dass nu eindeutig einfach kein Strom mehr da ist. Hervorragend.

 

Strom muss also her. Ich gucke somit bei den umliegenden Buden und Restaurants, ob dort vielleicht eventuell möglicherweise irgendwo eine Möglichkeit zum Stromtanken besteht. Passenderweise fängt es in dem Moment richtig an zu schütten, so dass ich innerhalb von fünf Minuten klatschnass bin und das Wasser auf der Straße steht.

 

Richtig viel geöffnet hat heute Abend hier nicht mehr, aber eine Kneipe auf der Ecke mit der Kirmes ist offen. An der Theke trage ich mein Anliegen in bestem Russisch vor, die Kellnerin lächelt mich freundlich an und versucht mich zu verstehen. Schnell sind weitere Kellnerinnen und Kellner um mich geschart und klar wollen sie mir helfen. Aber dafür muss der Chef her. Der ist dann auch schnell gefunden und begleitet mich zu unserem Womo. Stromanschluss und Kabeltrommel erklären mehr als meine Worte. Chef nimmt schon mal die Kabeltrommel mit, es schüttet übrigens immer noch, parkt sein Auto um und wir dürfen uns direkt vor den Eingang des Lokals stellen und sind auch schon an 220V angeschlossen. Super!!! Wir sind mal wieder beeindruckt von der schnellen und unkomplizierten Hilfe hier in Russland.

 

Unsere Pelmeni füllen wir dann in eine Tupperbox und gehen dann lieber bei unserer „Stromtankstelle“ Schaschlik essen. Sehr lecker!


Mittwoch, 4. Juni 2016

Museumsinsel Kizhi

Heute früh ist es ganz schön neblig hier, der sich aber schon so langsam verzieht und die Sonne schon erkennbar ist. Das wird ein schöner Tag. Passend für einen Ausflug nach Kizhi.

 

Fotoakku, Handyakku, Ersatzakku für Handy werden noch geladen (die Solarzellen auf Indys Dach sind glücklicherweise schon fleißig) und dann bringen mich Jens und Vanja auch schon zum Bootsanleger. Hier tummeln sich schon diverse Touristengruppen, die alle möglichen Sprache sprechen. Eine große Gruppe Franzosen ist dabei und eine asiatische Reisegruppe, deren Sprache ich allerdings nicht mal eben so erkenne.

 

Es ist auf jeden Fall deutlich mehr los als am Fähranleger nach Valaam und ich bin doch froh, dass ich mein Ticket schon gekauft habe. Wie ich später erfahre, waren morgens tatsächlich die Tickets ausverkauft. 

 

Faltplan zur Inselerkundung

Kurze Zeit später sprechen uns zwei Radfahrer an, erst auf Russisch, dann wechseln wir auf Englisch um dann doch festzustellen, dass wir am einfachsten Deutsch miteinander sprechen. Gitta und Thilo sind ebenfalls per Fähre nach Finnland gefahren und erkunden nun mit Fahrrad und Zelt Karelien. Ihr Plan ist es sich heute Kizhi anzugucken und dann die Insel nicht wieder nach Petrosavodsk zu verlassen sondern nach Norden in den Ort Medweschegorsk. Die Fahrradmitnahme auf den Meteor hat auf jeden Fall geklappt und so verbringen wir eine unterhaltsame Überfahrt nach Kizhi. Wir stehen in einem der beiden Außenbereiche und lassen uns den Wind um die Ohren pusten und sind echt froh, dass die Sonne scheint. Beide waren zuvor auch auf Valaam und bei ihnen hat es in Strömen geregnet. Dagegen war ja mein trübes Wetter harmlos. Ansonsten waren die beiden ebenfalls schon mehrfach in Russland unterwegs, bisher allerdings zum Wandern. Baikalsee, Altai, Kaukasus standen schon auf dem Programm. Spannend! 

 

Die Fahrt bis zur Insel Kizhi dauert rund 75 Minuten. Die letzten paar Kilometer fahren wir zwischen verschiedenen Inseln durch, in deren Mitte Kizhi liegt. Viele der Inseln sind bewohnt, Kizhi übrigens auch, so dass am Ufer immer wieder Holzhäuser und Anlegestellen für kleine Boote zu sehen sind.

 

Und dann kommt endlich Kizhi in Sicht. Und prompt liegt die Insel noch im Nebel, der sich gerade lichtet.

Das zentrale und wohl bekanntestes Bauwerk von Kizhi ist die Verklärungskirche. Links im Bild die Sommerkirche des Ensembles, mit ihren 22 Holzkuppeln - rechts die zugehörige Winterkirche, mit acht kleinen Holzkuppeln und im Vordergrund der rechteckige Glockenturm. 

Die Sonne kommt aber schon durch den Nebel durch und ich freu mich schon auf meine Inselbesichtigung.

 

Am Anleger von Kizhi liegen bereits mehrere Schiffe und die sind deutlich größer als mein niedlicher kleiner Meteor. Es sind Hotelschiffe, die hier an Kizhi Zwischenstation einlegen. Aus einem der Hotelschiffe schallt laute Musik und bittet darum, dass die Passagiere wieder zurückkommen da die Reise weitergeht. Für mich hingegen geht es jetzt erst mal los :-)

Gitta und Thilo entladen ihre Fahrräder, wir verabschieden uns voneinander und sind uns sicher, dass wir uns bestimmt auf der Insel irgendwo wieder treffen.


 @Gitta und Thilo: Hey ihr beiden! Wir haben uns nicht wieder getroffen. Die Insel war doch größer als gedacht. Ich hoffe euer Plan hat geklappt und ihr seid irgendwie von der Insel wieder runtergekommen. Meldet euch doch mal! 


Ich mache mich dann auf die Insel zu erkunden. Erst gehe ich natürlich zur Verklärungskirche, denn diese 22 Holzkuppeln möchte ich mir ja schon immer aus der Nähe angucken. Wie ich vorher im Internet gelesen habe, wird diese gerade restauriert und somit klafft schon aus der Ferne in der Mitte des Bauwerks eine große Lücke. Unten Holz, darüber ein Stahlgerüst durch welches man durchgucken kann und darüber wieder Holz. Spannend! 

 

Zwischendurch treffe ich noch auf einen Künstler, der mitten auf einer Wiese steht und gerade das Ensemble der Verklärungskirche malt. Ich versuche mich an einem Gespräch, erfahre dass er Professor für angewandte Kunst (oder so ähnlich) in Moskau ist und gerade mit seinen Studenten zu einem Studienaufenthalt auf der Insel ist. 

 

Die Insel und vor allem die Entfernungen sind übrigens deutlich größer als ich dachte. Eigentlich wollte ich mir deshalb auch ein Fahrrad ausleihen, aber irgendwie gab es eine mir nicht verständliche Sprachbarriere. Fazit des Ganzen ist, ich bekam kein Fahrrad. Schade. Vom nördlichen Teil der Insel sehe ich somit nicht allzu viel. Dabei ist es hier wirklich schön. Erst laufe ich an einem Friedhof vorbei, dann an einer Windmühle, einem bewohnten, kleinen Dorf um dann noch einen Hügel hinauf zu einer kleinen Holzkirche zu laufen. Alles sehr hübsch anzuschauen und es ist übrigens doch ganz schön warm draußen geworden. Weiter gehe ich lieber nicht, die Abfahrtszeit meiner Fähre kommt irgendwie immer näher. Zurück folge ich dann einem Trampelpfad, quer durch die Felder.

 

Aufenthalt auf Kizhi

Zwanzig Minuten vor der Abfahrt bin ich zurück am Fähranleger. Puuh, es war doch ganz schön anstrengend und so kaufe ich mir an der Imbissbude erst einmal etwas zu trinken und eine irgendwie lecker aussehende Teigtasche. Mit beidem setze ich mich draußen in die Sonne, wo auch schon zahlreiche andere Touristen auf die Abfahrt der Fähre warten. Ich esse ein Stückchen von meiner Teigtasche und wechsele dann doch erst mal zu meinem Getränk. Doofe Entscheidung, denn innerhalb weniger Sekunden kommt eine Riesenkrähe angeflogen und schnappt sich meine Teigtasche. Alle Umsitzenden finden das total komisch, vermutlich habe ich auch wirklich doof geguckt, aber richtig lustig finde ich es gerade nicht. Nach den Stunden hier auf der Insel hatte ich wirklich Hunger. Sollte also einer von euch mal nach Kizhi kommen, denkt dran, dass am Fähranleger die Krähen auf die Touristen warten und haltet euer Essen gut fest. 

Und dann geht es auch schon wieder zurück. Die Rückfahrt ist übrigens ebenfalls unterhalt-sam. Zunächst treffe ich einen der Franzosen wieder, der mit seiner Kamera einen ähnlichen Fußweg über die Insel hinter sich hat wie ich. Wir stehen in einer der beiden Außenbereiche des Schiffs und unterhalten uns über unsere Reise. Wie von mir vermutet, ist er mit einer französischen Reisegruppe unterwegs, die er aber gerne mal für seine Fotoexkursionen ver-lässt. Kurz darauf gesellt sich eine Russin zu uns, die aus Moskau kommt, hervorragend Englisch spricht und eigentlich auf Dienstreise hier im Norden ist. Leider sind ihre Termine kurzfristig ausgefallen und somit bot sich ein Tagesausflug nach Kizhi geradezu an. Sehr lustig mit den Beiden und so ist die Rückfahrt ebenfalls ratzfatz vorbei und wir legen in Petrosavodsk an.

Jens und Vanja warten am Fähranleger auf mich und haben ebenfalls einen abwechs-lungsreichen Tag hinter sich. Irgendeiner der neben uns Parkenden muss Mist gebaut haben, denn er wurde kurzerhand verhaftet. Erinnert mich ein wenig an unseren ersten Ausflug in die Ukraine, so rund sechs Jahre her, in dem wir das erste Mal wirklich schlechte Straßenverhältnisse kennengelernt haben. Da wurde in irgendeinem Ort, in dem wir uns fürchterlich verfahren haben, am Straßenrand auch irgendwer irgendweshalb mit mehreren Polizeiwagen verfolgt und dann verhaftet.

 

Den weiteren Abend verbringen wir damit zu Grillen, die einen oder anderen flanier-enden Passanten sprechen uns an. So oft scheint hier kein deutsches Wohnmobil vorbei-zukommen. Mit zwei Jungs auf ihren Mountainbikes kommen wir auf Englisch ins Ge-spräch, sehr nett. Zum Abschied bekommen wir  Schleifchen in Russlandfarben geschenkt, die seitdem in unserer Windschutz-scheibe hängen. 

Später gehen wir noch auf die nahegelegene Kirmes und ich löse endlich mein Mongolei-versprechen ein, dass ich wenn ich wohlbehalten aus dem Land wieder rauskomme, auf jedes Karussell mit ihm gehe. Als ich so vor den verschiedenen, vermutlich eher für die jüngere Bevölkerung als für mich gedachte Fahrgeschäfte stehe, fände ich es allerdings gar nicht so schlecht wieder in der Mongolei zu sein.... Aber beamen geht ja immer noch nicht, also Augen zu und durch. Und wie erwartet (also nicht von mir) lebe ich nach den zwei Fahrten immer noch. 


Schöne gute Nacht aus Petrosavodsk,

JuJuV


Mit ♥ für euch geschrieben